CAPinsider-Talk: »Der niedrige Zins könnte helfen, ein wenig mehr Aktienkultur in Deutschland zu schaffen.«

Wilfried Stubenrauch CAPinside Talk

Die Corona-Pandemie sorgt für große Unsicherheit bei den Investoren. Wir haben unsere CAPinsider gefragt, womit sie im Alltagsgeschäft konfrontiert werden. Was raten Berater und Vermögensverwalter jetzt ihren Kunden? Wie entwickeln sich die Anlagemärkte? Heute: Wilfried Stubenrauch

Mit welchen Fragen und Anliegen kommen Ihre Kunden derzeit vor allem zu Ihnen?

Stubenrauch: In letzter Zeit kommen immer mehr Anfragen von Kunden, die hohe Geldbeträge auf Ihrem Konto haben und denen jetzt Verwahrentgelte drohen. Hierbei entsteht der Eindruck, dass sich auch Menschen, die sich sonst nie mit Investmentfonds beschäftigt haben, dies jetzt als echte Alternative zu schätzen wissen. Insofern hilft der niedrige Zins eventuell mit, ein wenig mehr Aktienkultur in Deutschland zu schaffen.

Wie lautet Ihre grundsätzliche Anlagephilosophie bzw. Ihr Anlageansatz?

Stubenrauch: Grundsätzlich bin ich Fan von Aktieninvestments. Dies ist vermutlich meiner beruflichen Vergangenheit in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geschuldet. Bei der Investition in Unternehmen kann man sich sehr genau ansehen, wie sich ein Unternehmen in der Vergangenheit entwickelt hat, wie die Zukunftsaussichten sind, was es für Wettbewerber gibt etc.. Das mache ich dann nicht selbst sondern das erledigen die Aktienfondsmanager für uns. Wir schauen uns an, welche Herangehensweise ein Fondsmanager verfolgt, nach welchen Kriterien er Zielunternehmen auswählt usw.. Grundsätzlich nehme ich daher gerne Schwankungen in Kauf, wenn ich weiß, dass die zugrundeliegenden Investments alle sehr sorgfältig ausgewählt wurden und es letztlich eine Frage der Zeit ist, bis sich die Investition in die besten Unternehmen auszahlt. Für Anleger, die einen kürzeren Anlagehorizont haben bzw. die nicht so hohe Schwankungen haben möchten, gilt es eine gute Kombination von Aktienfonds mit Misch- bzw. Rentenfonds zu finden. Auch hier ist es unser Anspruch, die besseren Fondsmanager bzw. -strategien zu identifizieren und eine optimierte Kombination der verschiedenen Investmentansätze zu finden.

Wie entwickeln sich die Märkte in den kommenden Monaten? Geht der Post-Corona-Rally die Puste aus oder geht es aus Ihrer Sicht weiter aufwärts?

Stubenrauch: Wir kommen jetzt in die Zeit, in der die durch die Kursanstiege zum Ausdruck gebrachten Erwartungen bestätigt werden müssen. Von daher könnte es hierbei auch zu Enttäuschungen und entsprechenden Rückschlägen kommen. Andererseits bin ich der Meinung, dass insbesondere aufgrund fehlender Anlagealternativen und der nach wir vor hohen Unterstützung durch die Notenbanken, die Aktienmärkte weiterhin einiges an Potential haben. Es könnte also unter stärkeren Schwankungen weiter aufwärts gehen, aber ein bereinigendes Gewitter im Rahmen einer „normalen“ Korrektur böte Chancen, um noch mal nach zu investieren.

Von welchen Assetklassen raten Sie im aktuellen Umfeld eher ab und welche Branchen sollte man im Fokus haben?

Stubenrauch: Derzeit findet gerade eine Rotation weg von Technologiewerten hin zu Substanzwerten statt. In diesem Rahmen rücken die valueorientierten Investments wieder mehr in den Fokus. Man sollte zwar nicht ganz aus den Technologiewerten aussteigen, aber von Gewinnmitnahmen ist auch noch niemand ärmer geworden. Einzelne Branchen zu bevorzugen fällt mir extrem schwer. Aus diesem Grunde bevorzuge ich eine Anlagestrategie mit einer hohen Diversifikation über Länder, Regionen und Branchen hinweg, bei einer gleichzeitig möglichst niedrigen Korrelation der einzelnen Investments zueinander. Dies schützt davor komplett falsch zu liegen, aber auch davor nicht dabei zu sein, wenn die Post abgeht. Bei Staats- und Unternehmensanleihen wäre ich im Moment eher zurückhaltend da es in diesen Segmenten sehr schwierig ist, noch interessante Investments zu finden.

Wie würden Sie zum jetzigen Zeitpunkt 100.000 Euro anlegen?

Stubenrauch: Das kommt drauf an. Es hängt entscheidend von der Anlagedauer ab. Grundsätzlich würde ich Aktienfonds ganz klar bevorzugen. Da hierbei immer mit Rückschlägen gerechnet werden muss, bieten diese sich nur bei längeren Laufzeiten an. Dann würde ich empfehlen, diese 100.000 in mehreren Tranchen zu investieren. Wenn man in eine Fondsvermögensverwaltung investiert, werden hier idealerweise potenzielle Rückschläge abgefedert und die Investition könnte schneller erfolgen. Bei kürzeren Anlagezeiträumen machen nur gemischte Anlagen Sinn, bei denen neben reinen Aktienfonds auch Renten- oder Mischfonds mit allokiert werden.

CAPinside
Kategorien: Allgemein
8. Juni 2021